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Faire Gestaltung von ESOP und VSOP: Was müssen UnternehmerInnen beachten?

Dr. Christopher Hahn
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am: 15.01.2024

Die Beteiligung von Mitarbeitern ist heutzutage ein essenzieller Bestandteil einer modernen Unternehmenskultur und spielt eine zentrale Rolle bei der Gewinnung von Führungskräften und deren Bindung an das Unternehmen. In der Start-up-Welt wird oft generell von ESOPs (Employee Stock Option Plan) gesprochen, doch in der Regel werden Mitarbeiter und Führungskräfte über Virtual Stock Option Pläne (VSOPs) beteiligt. Dies bedeutet, dass sie eine finanzielle Vergütung vom Unternehmen erhalten, wenn ein sogenannter Exit stattfindet.

Virtuelle Anteile haben sich vor allem deshalb etabliert, weil die Übertragung von tatsächlichen Anteilen mit erheblichem Aufwand und Schwierigkeiten verbunden ist, insbesondere aus steuerlicher Sicht. Selbst die Novellierungen im Rahmen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes lösen nicht alle diese Herausforderungen. Bei der Übertragung realer Unternehmensanteile ist zudem stets ein Notar erforderlich.

Ein tiefgreifendes Verständnis des Mechanismus hinter virtuellen Anteilen ist entscheidend, da Unwissenheit schnell zu Enttäuschungen führen kann. Die Prinzipien, die hier angewendet werden, gelten in ähnlicher Weise auch für reale Anteile im Kontext eines ESOP.

Strike Price als entscheidendes Kriterium

Die Höhe des Basiswerts (Strike Price) einer virtuellen Beteiligung ist maßgeblich für die Höhe der späteren Exitvergütung. Nur an einer Wertsteigerung des Unternehmens, die über den im virtuellen Beteiligungsprogramm festgelegten Basispreis hinausgeht, nimmt der Berechtigte teil.

Wenn der Basispreis EUR 100,00 pro virtuellem Anteil beträgt, bedeutet dies nicht automatisch, dass der virtuelle Anteil einen Wert von EUR 100,00 hat. Der Wert eines virtuellen Geschäftsanteils ist gleich Null, solange der Wert eines realen Geschäftsanteils an der Gesellschaft den in unserem Beispiel genannten Betrag von EUR 100,00 nicht übersteigt.

Steigt jedoch der Wert eines realen Geschäftsanteils zu einem späteren Zeitpunkt auf EUR 101,00 (z.B. weil ein Investor genau diesen Betrag pro Geschäftsanteil bezahlt), so partizipiert der Begünstigte (vereinfacht gerechnet) in Höhe des Differenzausgleichs, d.h. in Höhe von EUR 1,00 pro virtuellem Geschäftsanteil.

Eine sehr hohe oder gar zu hohe Ansetzung des Bassispreises kann sich demnach nachteilig auf den Mitarbeiter auswirken. Je niedriger der Basispreis eines virtuellen Anteils ist, desto einfacher ist es für den Begünstigten, später am Exit zu partizipieren. Die Wahrscheinlichkeit von einem späteren Exit tatsächlich profitieren zu können steigt, wenn der Basispreis des virtuellen Anteils niederiger gewählt ist.

Der vorschnelle Rückschluss virtuelle Anteile seien unfair, hinkt allerdings. Die Begründung liegt auf der Hand. Bei einer Übertragung tatsächlicher Anteile müsste der Begünstigte auch den tatsächlichen Wert der Anteile in bar zahlen, da andernfalls eine Schenkungssteuer in Höhe der Differenz entsprechend dem geldwerten Vorteils fällig wird. Dagegen werden virtuelle Anteile als sogenannte zusätzliche Vergütung ohne eine durch den Mitarbeiter zu leistende Barzahlung ausgegeben. Daher ist die Festlegung eines gut gewählten, sprich realistischen Basiswerts durchaus fair, solange dies  klar und offen kommuniziert wird. Transparenz ist in diesem Zusammenhang also von großer Bedeutung.

Dennoch kommt es in dem oben geschilderten Beispiel ähnlichen Fällen nicht selten zu der fälschlichen Annahme, die virtuellen Anteile hätten bei der Zuteilung einen inneren Wert von 100€. Um dieses Missverständnis aufzuklären, ist es notwendig, die Bedeutung des “inneren Wertes” in diesem Zusammenhang zu verstehen. Erst wenn es tatsächlich zu einem Exit kommt, sprich ein Zahlungsanspruch entsteht, haben auch die virtuellen Anteile einen realen Wert. Neben dem Gesamtexiterlös kommt dann der Strike Price, also Basiswert, als elementares Berechnungsparameter ins Spiel.

Informationsasymmetrie: Liquidationspräferenzen

Ein weiteres zentrales Thema ist der beschränkte Zugriff auf wesentliche Informationen, insbesondere jene, die für die Kalkulation der Exit-Vergütung von Bedeutung sind. In der Regel werden vom erzielten Gesamterlös bei einem Unternehmensverkauf sogenannte Liquidationspräferenzen der Investoren abgezogen. Diese Präferenzen bevorzugen Investoren in der Gewinnverteilung – das bedeutet konkret, dass Investoren zuerst ihr eingesetztes Kapital zurückerhalten, ehe der restliche Erlös unter den anderen Anteilseignern aufgeteilt wird.

Häufig sieht die Ausgestaltung dieser Liquidationspräferenzen eher investorenfreundlich aus. Investoren erhalten für ihr früheres Investment also bestimmte Vorrechte, ohne dass die Begünstigten von VSOP oder ESOP einen Einfluss auf diese Vorgänge haben. In einigen Fällen können Liquidationspräferenzen dazu führen, dass selbst Gründer kaum oder keinen Anteil am Verkaufserlös erhalten. Die Gestaltung dieser Präferenzen, welche ohne Beteiligung der VSOP-Begünstigten stattfinden, kann also stark nachteilig sein. In der Regel wird den Begünstigten erst dann Einblick gewährt, wenn sowohl die Liquidationspräferenzen als auch die Exit-Summe entweder durch die Gründer kommuniziert oder öffentlich bekannt gemacht werden.

Fairness und Flexibilität: Abfindung ohne Exit

Mit der Zeit können sich sowohl das Unternehmen als auch die Interessen der Gesellschafter und Investoren verändern. Daher ist in den meisten virtuellen Beteiligungsprogrammen vorgesehen, dass Inhaber von virtuellen Anteilen vor einem Exit eine finanzielle Abfindung erhalten können. Wichtig ist hierbei die genaue Festlegung der Kriterien, nach denen diese Abfindung berechnet wird. In der Regel orientiert sich diese an der Bewertung des Unternehmens nach der letzten Finanzierungsrunde. Sollte es keine kürzliche Finanzierungsrunde gegeben haben oder liegt diese weit zurück, ist es ratsam, den Unternehmenswert anhand klassischer Methoden der Unternehmensbewertung zu ermitteln.

Es ist jedoch Vorsicht geboten: Es muss sichergestellt werden, dass die Gesellschaft oder die Gründer nicht in Kenntnis eines bevorstehenden Exits durch eine geringere Abfindungszahlung ihre Verpflichtungen gegenüber den Inhabern der virtuellen Anteile umgehen. Daher sollte die Möglichkeit zur Abfindung so geregelt sein, dass sie nicht in einem festgelegten Zeitraum vor einem Exit (beispielsweise innerhalb von sechs Monaten) ausgeübt werden kann. Auch hier ist es entscheidend, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Gesellschaft und denen der Begünstigten zu schaffen. Ein faires Gleichgewicht in den Regelungen ist essentiell, um das Ziel des virtuellen Beteiligungsprogramms zu erreichen: die Motivation der Begünstigten zu steigern.

Vesting: Fade-Out?

Das Thema Vesting sorgt oft für Diskussionen. Es bestimmt die Bedingungen, unter denen virtuelle Anteile – genauer gesagt, der Anspruch auf die Exit-Vergütung – verloren gehen, wenn der Begünstigte das Unternehmen verlässt. Üblicherweise kommen hierbei Bad Leaver- und Good Leaver-Klauseln zum Einsatz, die entweder den vollständigen oder teilweisen Verlust der Anteile bei einem Ausscheiden regeln. Diese werden oft durch sogenannte Grey Leaver-Klauseln ergänzt, die der Tatsache Rechnung tragen, dass nicht jede Situation eindeutig ist. Ziel dieser Klauseln ist es, eine unfaire Benachteiligung der Begünstigten zu vermeiden, da dies rechtlich zur Ungültigkeit der Klauseln führen könnte. Gleichzeitig dienen sie dazu, die Begünstigten langfristig an das Unternehmen zu binden und sie Teil der unternehmerischen Vision bis zum Exit werden zu lassen.

Die Mitarbeiter sollten sich jedoch stets fragen, ob die Vesting-Regelungen sogenannte Leaver Events enthalten, die sie steuern können und welche Auswirkungen ein Leaver hat – oder ob die Regelungen auch zu einem Verfall der virtuellen Anteile führen können, die außerhalb ihrer Steuerbarkeit liegen.

Es ist jedoch wichtig, dass die Mitarbeiter stets überlegen, ob die Vesting-Bedingungen sogenannte Leaver-Ereignisse beinhalten, die sie beeinflussen können, sowie die Konsequenzen eines Ausscheidens aus dem Unternehmen abdecken. Sie sollten ebenso bedenken, ob und wann Bestimmungen zum Verlust ihrer virtuellen Anteile führen, in Situationen, die sie nicht kontrollieren können.

Ein solcher Fall kann beispielsweise bei den sogenannten "Fade-out"-Klauseln auftreten. Hier können bereits verdiente (gevestete) virtuelle Anteile teilweise wieder verfallen, falls der Unternehmensverkauf (Exit) erst viele Jahre nach dem Ausscheiden des Begünstigten stattfindet. Oft legen diese Regelungen fest, dass die virtuellen Anteile auf einen minimalen Wert (Floor) reduziert werden. Wenn diese Klausel nicht verhandelbar ist, sollte darauf geachtet werden, dass dieser Floor angemessen hoch ist – er sollte beispielsweise mindestens 50 oder 80 Prozent der bereits gevesteten virtuellen Anteile umfassen.

Schlussfolgerung - faire Kompromisse finden

Virtuelle Beteiligungsmodelle bleiben das bevorzugte Mittel im Bereich Venture Capital und Startups in Deutschland. Sie lassen sich für Unternehmen jeder Größe schnell implementieren und bieten aufgrund der flexiblen Vertragsgestaltung umfangreiche Anpassungsmöglichkeiten.

Obwohl Beteiligungsprogramme durchaus so gestaltet werden sollten, dass sie den Interessen des Unternehmens und der Investoren dienen, dürfen sie nicht zum Nachteil der Begünstigten ausfallen. Wenn die Bedingungen eines virtuellen Beteiligungsprogramms nachteilig für die Begünstigten sind und ausschließlich von den Entscheidungen des Unternehmens oder der Investoren abhängen, ohne dass die Begünstigten darauf Einfluss nehmen können, verfehlt das Programm seinen eigentlichen Zweck und Nutzen.

Disclaimer: Die Inhalte des Informationsangebots unter vsop-direkt.de stellen keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie eine rechtliche Prüfung Ihres Einzelfalls benötigen, dann wenden Sie sich bitte an unserer spezialisiertes Team: beratung@esop-direkt.de

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